Hallo FreitagIstSieNieDa,
ich habe deine Nachricht eben gelesen und möchte dir meine Erfahrungen mitteilen.Â
Ich bin auch noch nicht so lange betroffen von meiner Angststörung. Im Juli 2019 hatte ich meine erste Panikattacke, wobei ich im Nachhinein weiß, dass die Vorboten schon viel früher da waren.
Meine größte Angst ist die Herzangst, das bedeutet, dass ich vorwiegend Angst davor habe an einer Herzkrankheit/Herzinfarkt zu sterben. Aber auch andere Krankheiten habe ich mir bereits "eingebildet"- von Krebs, bis Schlaganfall und Thrombose. Ich muss dazu sagen, dass es bei mir kein einziges Anzeichen dafür gibt, dass ich in irgendeiner Form krank bin- ich bin kerngesund! Muss aber dazu sagen, dass ich vor 16 Jahren, da war ich gerade 14, tatsächlich an Krebs erkrankt war, diese Erkrankung aber sehr gut überstanden habe und mir damals nie auch nur einen Gedanken darüber gemacht habe, dass ich sterben könnte. Heute, wo ich kerngesund bin, habe ich ständig Angst zu sterben. Auslöser ist der plötzliche Tod meines Vaters im Januar 2019Â gewesen. Häufig sind traumatische Erlebnisse und plötzliche Verluste Auslöser für Angsterkrankungen. Hast du eventuell auch solch einen Auslöser in deinem Leben gehabt? Auch Schwierigkeiten in Beziehungen, der Ehe oder auf der Arbeit, also jeglich Art von belastenden Situationen, können eine Angststörung auslösen. Meine Therapeutin hat mir jedoch auch ganz klar vermittelt, dass es auch ein bisschen von der eignen Persönlichkeit abhängt. Bist du z.B.ein Mensch, der gerne über alles die Kontrolle hat, wenig spontan ist, sich schnell in katastrophale Gedanken verrennt und sich in Dinge und Gefühle reinsteigert? Dann bist du nahezu prädestiniert für Panikattacken und Angstzustände, obwohl es im Grunde jeden treffen kann. Nur ob es sich manifestiert hängt meiner Meinung nach von diesen Faktoren und Charakterzügen ab. Das muss man sich ein stückweit eingestehen.
Was ich dir ganz klar empfehlen kann ist eine (Verhaltens-)Therapie. Ich bin davon überzeugt, dass es mir heute nicht so gut gehen würde, wenn ich meine Therapeutin nicht hätte. Ich hatte das Glück, dass ich sofort einen Termin ergattern konnte, ich zahle die Sitzungen jedoch alle selbst und ich mache dir nicht viel Hoffnung: Auf eine Kassen- Therapie wartest du im Normalfall Monate. Also wenn du es dir leisten kannst, versuche es selbst zu zahlen und du hast sehr viel bessere Chancen auf einen Platz bei einem tollen Therapeuten. Und trotz meiner Therapie begleitet mich meine Angst nahezu täglich. Es gibt kaum einen ruhigen Moment, wo ich nicht an mein Herz denke. Im schlimmsten Fall messe ich meinen Puls oder Blutdruck und steigere mich in Zipperlein, wie Zwicken in der Brust, ein komisches Gefühl in der Herzgegend, das Gefühl weniger Luft zu bekommen o.ä. soweit hinein, dass ich eine Panikattacke bekomme. Ich muss dazu sagen, dass ich meine Attacken mittlerweile besser im Griff habe, als noch vor 3,4 Monaten. Sie kommen sehr viel seltener vor, aber ich gestehe, dass ich dennoch oft daran denke, was ist, wenn ich doch krank bin. Ich muss dazu erwähnen, dass ich durch den ganzen Stress und die Sorgen ab und an unter Herzstolpern leide. Eine organische Ursache wurde mehrfach ausgeschlossen und dennoch ist dieses Gefühl des "Aussetzers" jedes Mal so überwältigend für mich, dass ich mich sehr zusammenreißen muss, um nicht in Panik auszubrechen.
Das einzige Mittel, das tatsächlich hilft ist Ablenkung- in jeglicher Form! Du sagst ja selbst, dass du diese Angst bei deiner Tochter nicht hast. Heißt das, dass du bei ihr keine Angst hast, dass sie sich ansteckt oder dass sie dich von deinen Sorgen ablenkt? Das ist auf jeden Fall toll! Du kannst also deine Ängste noch ein bisschen steuern.Â
Es gibt tolle Bücher, in denen beschrieben wird, wie du dein Gehirn geradezu austricksen kannst, denn das kannst du. Ich empfehle dir alle Bücher der Psychotherapeutin und Neurologin Claudia Croos- Müller. Darin beschreibt sie nicht nur, was während der Angst in deinem Kopf vor sich geht, sondern sie gibt auch viele Tipps, die dich ins Hier und Jetzt zurück holen. Sie hat viele Bücher zu unterschiedlichen Themen geschrieben und das in ganz einfacher Sprache.
Außerdem empfehle ich dir Meditation. Das ist am Anfang schwer und man kann sich auch nicht immer richtig drauf einlassen, aber mit der Zeit und mit viel Ãœbung klappt es immer besser und du kommst runter- mir hilft das sehr! Täglich maximal 10 Minuten reichen schon aus.Â
Und dann konfrontiere dich doch einfach mal mit dem Gedanken, was denn im schlimmsten Fall passieren könnte. Du steckst dich mit dem Coronavirus an, ja und?! Eine Grippe ist zig mal schlimmer und gefährlicher, hast du davor auch Angst? Oder nur vor Corona, weil es im Moment so mega gehypt wird? Und dennoch wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht daran sterben, wenn du nicht gerade chronisch krank bist und dadurch ein sehr schwaches Immunsystem hast oder 89 Jahre alt bist. Ich denke mir auch oft "Ja, dann hast du eben einen Herzinfarkt, und? Das heißt nicht, dass du tot umkippst und wenn doch, ist es eh egal, weil davon kriegst du dann sowieso nichts mehr mit.", also letztendlich kannst du eh nichts dagegen tun, wenn es passiert. Den "worst case" ausmalen hilft manchmal dabei festzustellen, dass er kein Weltuntergang wäre.
Lass dir keine Medikamente geben. Ich kenne dich nicht, aber du scheinst sie nicht zu brauchen! Du brauchst jemanden zum Reden. Deshalb mein Tipp: Suche dir einen Therapeuten, ehrlich! Das ist das einzige, was dir aus der Spirale helfen kann.Â
Alles Liebe.