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Normale Version: Antidepressiva gegen Angststörung?
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Hallo meine Lieben,

ich wollte euch fragen ob ihr Erfahrungen mit Antidepressiva bei Angststörungen habt.

Auf Empfehlung der Tagesklinik, sollte ich bei meinem Psychiater nachfragen ob er mir AD verschreibt.
Dieser meinte, dass er das natürlich machen kann, wenn ich welche haben möchte.
Er erklärte mir aber auch genau, dass er das bei mir und meinem Krankheitsbild (Generalisierte Angststörung/Angst und Panikstörung ohne große Depressionen) nicht für sinnvoll hielte und es mir sehr sehr wahrscheinlich nichts nützen würde.
Zudem hätte er schon einige Patienten gehabt, bei denen es halt nichts gebracht hat.

Hier ein paar seiner Gründe dagegen:
- es dauert sehr lange (zwischen 6 Monaten und 2 Jahren) bis es wirkt
- selbst wenn es mir besser geht nach der Einnahme, kann man nicht genau sagen ob es an den Tabletten lag
- Nebenwirkungen sind häufiger (zumal ich empfindlich auf Medikamente reagiere)
- Absetzen kann auch Nebenwirkungen verursachen
- Hormon/Stimmungsschwankungen 

Ich habe in der Tagesklinik 4 Tage lang 'leichte' AD genommen, in der geringsten Dosis und hatte bereits so starke Nebenwirkungen, dass ich sie direkt wieder absetzen sollte.
Daher würde ich es bevorzugen lieber keine zu nehmen. Nur meine Zweifel sind: "Was ist wenn es doch helfen würde?"
Ich habe die Tabletten hier und bin mir unsicher ob ich sie nehmen soll.

Was meint ihr? Was sind eure Erfahrungen? 'Lohnt' es sich? Hat es euch etwas gebracht? Hattet ihr Nebenwirkungen? Wenn ja welche? 

Liebe Grüße

Lux
Fuer generalisierte Angststörungen ohne Depression ist Verhaltenstherapie (VHT) die empirisch beste Option.
Alerdings haben anxiolytische Medikamente ebenfalls einen guenstigen Effekt, aber der VHT unterlegen.
Der Wirkeintritt ist nach fruehestens 2-3 Wo. Der Effekt ist nach 6 -12 Mo teilweise sogar schon wieder weg und nicht wie oben beschrieben erst in 6-12 Mo vorhanden. EIne etwaige Wirkung von zB SSRI nach 1-2 Jahren ist nicht sicher von einem natuerlichen Verlauf der Erkranlung oder den Effekten einer parallelen VHT zu differenzieren.

An sich halte ich eine medikamentöse Therapie für nötig, wenn kein vernünftiges Gespräch mehr zu führen ist, sprich,wenn man so "freaked out" ist, dass eine VHT gar nicht klappen kann.

Was ich unglücklich finde ist, dass der Psychiater Dir die Pillen gibt, wenn Du sie möchtest....Und die Tagesklinik mit der Frage , ob der Psychiater Dir die aufschreibt.Der betreuende Arzt sollte die INdikation stellen und Dich nicht in die Zwickmuehle bringen!
(27.11.2020, 12:30)Gopi schrieb: [ -> ]Fuer generalisierte Angststörungen ohne Depression ist  Verhaltenstherapie (VHT) die empirisch beste Option.
Alerdings haben anxiolytische Medikamente ebenfalls einen guenstigen Effekt, aber der VHT unterlegen.
Der Wirkeintritt ist nach fruehestens 2-3 Wo. Der Effekt ist nach 6 -12 Mo teilweise sogar schon wieder weg und nicht wie oben beschrieben erst in 6-12 Mo vorhanden. EIne etwaige Wirkung von zB SSRI nach 1-2 Jahren ist nicht sicher von einem natuerlichen Verlauf der Erkranlung oder den Effekten einer parallelen VHT zu differenzieren.

An sich halte ich eine medikamentöse Therapie für nötig, wenn kein vernünftiges Gespräch mehr zu führen ist, sprich,wenn man so "freaked out" ist, dass eine VHT gar nicht klappen kann.

Was ich unglücklich finde ist, dass der Psychiater Dir die Pillen gibt, wenn Du sie möchtest....Und die Tagesklinik mit der Frage , ob der Psychiater Dir die aufschreibt.Der betreuende Arzt sollte die INdikation stellen und Dich nicht in die Zwickmuehle bringen!

Hey Gopi,

danke für die vielen Informationen!

Ich war im Februar für kurze Zeit in der Tagesklinik und habe danach dann mit meinem Psychiater gesprochen, ist also alles schon etwas her.
Nur da es mir trotz Therapie sehr schlecht geht zur Zeit, kam mir der Gedanke mit den Tabletten. 
Zudem hat mich mein Hausarzt (der mich zur Zeit krankschreibt) gefragt warum ich die Tabletten nicht nehme und warum der Psychiater nicht gesagt hat DASS ich sie nehmen soll, wenn es mir ja zur Zeit so schlecht geht.
Ich möchte auch nicht, dass mein Hausarzt denkt, dass ich nicht alles dafür tun würde um "Gesund" zu werden und mich dann nicht mehr krankschreibt.
Ich habe ihm erklärt, was mein Psychiater gesagt hat und er meinte ich solle trotzdem nochmal nachfragen, nicht das ich ja etwas falsch verstanden habe...*augenroll*
Alles etwas verzwickt. Je mehr Ärzte und "Profis", desto mehr Stress gibt es. 

Liebe Grüße

Lux
Hallo Lux,
Ja, das ist etwas verzwickt. Dennoch sollte die INdikation zur medikamentösen Therapie vom Arzt gestellt werden. Die Beteiligten stressen Dich, und es ist tatsaechlich keine INdikation, dass Du die nimmst, aus Angst davor, dass es einer doof finden koennte, wenn Du sie nicht nimmst.
Ausserdem ist es so, dass man unterstuetzen sollte, wenn jemand die Ansgststörung ohne Pillen beherrschen will.Aber dann solltest Du auch in einer VHT sein. Wenn Du so free floating bist und auch noch ktank geschrieben, dann wäre schon gut, wenn da was liege.
Die Pillen sind immer nur eine Krücke, da man die Verantwortung an externe Hilfsmittel abgibt. Setzt man sie ab, hat man entweder Gueck, und der natuerliche Krankheitsverlauf bringt ohnehin Besserung oder man reitet wieder in die Störung.
Aber ich gebe zu, dass ich oft auch daran denke, das bescheuerte Kopfkino mit Pillen zu beenden.
Ich habe oft das Gefuehl, dass die fortwaehrende Beschaeftigung mit der ANgst, eben nicht die erhoffte Gewöhnung bringt. Ich habe grade drei bescheidene Tage hinter mir.
Es ist ein ELend. Ich haette Pillen auch schon laengst versucht, wenn ich nicht die NW vermeiden wollte.

Nur damit Du siejhst, dass ich jetzt nicht immer so fuer allen eine schlaue Lösung parat habe...
Hey Gopi,

die Ärzte in der Tagesklinik haben gesagt ich SOLL welche nehmen. Mein Psychiater nach der Tagesklinik meinte halt es würde nichts bringen. Meine Therapeutin meint, ich bräuchte keine und würde es auch ohne schaffen. Und ich sitze hier dazwischen.
Ich möchte es eigentlich wirklich OHNE Tabletten schaffen. Wenn ich sie nun nehmen würde, dann wirklich nur damit keiner sagen kann: "Du hast nicht alles versucht um gesund zu werden." Ich denke, dass das kein guter Ansatz wäre um gesund zu werden...

Vielen Dank für deinen Einblick in diese Sache. Allein von anderen zu hören wie sie damit umgehen, hilft mir schon ungemein und ich komme mir nicht so alleine vor.

Liebe Grüße

Lux
Alleine bist Du tatsächlich nicht in dem Dilemma, soviel steht fest.
Ich kenne die Zerrissenheit und die Angst, nichts falsch zu machen, um nur ja die Gesundung nicht zu gefährden.
In dem Moment, wo Du selber die Entscheidung mit Ãœberzeugung in di Hand nimmst, bist Du halb durch, denn viel hat halt auch mit Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein zu tun. Oder aber das gutmütige Zutrauen in normale Körperfunktionen und Selbstheilungskräfte.
Angstpatienten nehmen dankbar die Hinweise aus der Umgebung auf, Forum, Aerzte , Buecher, etc.

Ich würde sagen, wenn Du die Pillen nicht nehmen willst, dann versuche es ohne. Solange Du funktionierst, ist das nach meiner Einschätzung völlig ok. Dir muss halt klar sein, dass das ein "rough trip" ist.
Aber ich würde dasmit einer ambulanten VHT begleiten, natürlich abhängig von dem Grad der Angststörung.
Und klammere Dich nicht zu sehr an den Gedanken, "gesund zu werden". Das setzt untr Druck und stresst, denn dann läuft immer das Programm ab mit der Angst, wenn das nicht klappt.....
Was wäre denn das Schlimmste, was passieren kann?
Wirklich funktionieren tue ich leider schon lange nicht mehr, deshalb Therapie und alles.
Ich würde behaupten ich 'überlebe' zur Zeit. Manchmal besser, manchmal schlechter.
Jetzt, da ich mich mit meiner Therapeutin wieder besser verstehe, hoffe ich, dass ich vielleicht wieder Schritte nach vorne machen kann.
Das Thema AKZEPTANZ sollte ich mir fett auf die Kappe schreiben. Daran arbeite ich zur Zeit privat selber sehr viel.
Einfach akzeptieren, dass ich nun mal so bin, dass ich die Krankheit habe, dass das Gefühl da ist, dann verschwindet es oft schon von allein.
Die Angst wird nicht schneller weg gehen, wenn ich mich dran fest beiße und ständig in jeder wachen Minute versuche an mir zu arbeiten.
Ich habe ein Buch gefunden mit 'Ãœbungen' die mir zu dem Thema gut geholfen haben und ich habe
auch das Gefühl, dass irgendetwas in meinem Kopf ganz leise -klick- gemacht hat.
Zudem haben mir auch einige Beiträge hier im Forum geholfen, alles etwas umzudenken und aus einer anderen Sicht zu betrachten.

Ich werde die Medikamenten Wahl nochmal mit meiner Therapeutin und vor allem nochmal mit meinem Psychiater besprechen.
Ich hoffe ich werde es ohne schaffen. (Vor allem weil ich einfach so sehr angst vor den Nebenwirkungen habe)

Bleib gesund!

Lux